Heute klopfte es um 4:25 Uhr an die Zimmertür: Aufstehen! Aufstieg zum Poon Hill. Ein Tässchen Tee vom Hotel gespendet, in warmer Unterhose, Handschuhe und Stirnband übergestreift, dann los. Eine Karawane von Poon-Hill-Fans geisterte mit Taschenlampen ausgerüstet durch die Dunkelheit. 360 Höhenmeter hinauf, Stufe für Stufe. Noch eine Stunde, dann würde die Sonne aufgehen. Über uns leuchteten die Sterne des Orion. Ein Kassenhäuschen: 50 Rupien pro Person als Spende für die Schulausbildung. Gern! Die ersten brauchten eine Verschnaufpause, wir stiegen weiter. Auch 70-Jährige wagten sich noch an das Vergnügen. Würden oben überhaupt alle Platz haben? Wir waren schon viertel vor sechs da. Im Osten fing es an zu leuchten, um uns herum die Giganten des Annapurna-Gebirges.
Mit über hundert Menschen aus aller Welt warteten wir gespannt auf das faszinierende Naturschauspiel des Sonnenaufgangs an diesem speziellen Ort. Ein Herr Poon hatte ihn entdeckt, und ihm zu Ehren wurde ein Turm errichtet, 3210 Meter über dem Meeresspiegel. Welch ein friedlich fröhliches Zusammensein! Eine kleine Demo gegen die Barbarei!
Mir kam die schaurig-schöne Erkennungsmelodie für Winnetou in den Sinn, wenn er in Bad Segeberg den Kalkberg hinunter reitet. Davon bekomme ich immer eine Gänsehaut. Zum Glück wird hier allen die eigene Musik gelassen, Konformationszwang wäre Ideologie, wäre Macht. Für mich passte Winnetou und das Pathos. Und es wurde Licht: Die Sonne ging auf über Poon Hill! “Freude schöner Götterfunken…”. Beethoven hätte hier sicher eine zweite Ode an die Freude komponiert. Welch ein Festival der Sinne! Alle waren total high.
Die Stufen hinunter kamen uns easy vor. Gegen 7:30 Uhr gab es ein kräftiges Frühstück und schon ging es weiter, rauf und runter, durch den Dschungel.
Wir waren noch Stunden später berauscht von den Poon-Hill-Panorama-Impressionen. Gegen 12 Uhr die verdiente Lunchpause. Wir hatten Sandra und Elisa aus Geesthacht und Lauenburg in Ghorepani kennengelernt. Zwei taffe Frauen, die in Nepal drei Wochen ohne Reiseorganisation Urlaub machen. Beide sind Mütter. Ihre Familien hatten sie lieber zuhause gelassen. Sie hatten nur einen Guide dabei, keinen Träger. Hier trafen wir sie wieder. Sandras Kamera hatte ausgerechnet auf dem Poon Hill versagt. Wir werden ihr Fotos von uns schicken. Nach weiteren zwei Stunden Wandern, auf und ab, über Baumwurzeln und Steinstufen, an plätschernden Bächen entlang, durch Rhododendronwälder und Bambus hindurch Ausblicke auf den heiligen Machhapuchhre (6997m). Der Berg hat die Form eines Fischschwanzes, heißt daher auch Fishtail. Das Besteigen ist strengstens verboten. Bisher wurde jeder Versuch mit dem Leben bezahlt.
Zwanzig Meter vor uns hangelten sich Affen von Baum zu Baum. Als wir höflich fragten, ob wir sie fotografieren dürften, suchten sie leider das Weite. Ein Stück Wandern wie durch den Duvenstedter Forst im Herbst war auch dabei. Reichlich erschöpft kamen wir endlich um 16 Uhr in der eher simplen Unterkunft in Bhaisi Kharka an. Die Dusche war wieder in der Toilette, kein Waschbecken. Zähneputzen hieß, über-die-Mauer-Spucken, in der heimeligen Wohn-Essstube standen Betten für drei Kinder, in der Mitte ein Ofen, darüber zwei Leinen zum Wäschetrocknen, der Fernseher lief: Wrestling. Wir befanden uns in einer nepalesischen Mittelklasse-Unterkunft. Sandra und Elisa trafen etwas später ein. Es wurde ein gemütliches Candle-Light-Dinner zu viert. Um neun ging’s ins Bett. Die Kinder mussten schließlich schlafen.
Fotos bitte, wir wollen Fotos! (Hier war heute auch ein Sonnenaufgang zum träumen. Jetzt haben wir 22 Grad im Schatten, Sonne satt und einen wunderschönen Sonntag. )
Wow! Das Erlebnis mit dem Sonnenaufgang hört sich wirklich traumhaft an!
Hi Knuffel, ich hab Dieter gebeten, einen eigenen Beitrag zu schreiben. Er fand es natürlich super toll!