Paragliding Teil 1 Um sieben Uhr öffnete Dieter die Balkontür: es war eine absolute Nebelsuppe draußen, kein einziger Berg zu sehen. Dieter war total enttäuscht. Heute sollte unser Paragliding-Flug stattfinden. Um acht Uhr beim Frühstück keine Besserung in Sicht. Dann eben nicht. Verschieben auf irgendwann in den Alpen. Gegen halb neun meinte Dieter plötzlich ein blaues Loch in der Wolkendecke zu erkennen. Tatsächlich, es klarte auf. Sollte es etwa doch heute passieren? Ein Anruf von der Rezeption: Wir würden um neun abgeholt. Auf den Pick-up gestiegen und los. Allein die Strecke auf den Berg war ein Abenteuer. Die Piloten standen wie in den überfüllten Bussen in Indien hinten auf der Stoßstange. Peter, der Engländer aus Wales, war mir sofort sympathisch. Er machte seinen Job schon über 18 Jahre lang. Und Christi aus Rumänien war auch schon neun Jahre dabei. Wir kamen an einem Polizeihäuschen vorbei. Wir mussten anhalten und dreihundert Rupien Strafe zahlen, weil wir überladen waren. Peter meinte, das sei jeden Tag dasselbe Theater. Im Westen gäbe es Korruption ganz oben und dies sei halt die Grasswurzelkorruption ganz unten. Gegenüber stand ein älterer Gurung. Was er wohl dachte? Da kommen wieder diese Verrückten aus der reichen Welt? Oder wunderte er sich schon lange nicht mehr? Immerhin kommen dreimal am Tag die Pick-ups hier hoch, seit Jahrzehnten. Ich fing an, mich dekadent und unbehaglich zu fühlen. Warum mache ich das überhaupt? Ich hätte doch auch unten auf Dieter warten können! Zu spät. In Windeseile wurden oben die Schirme abgeladen, alles perfekt vorbereitet, professionell durchorganisiert. Peter war anscheinend der Chef. Mein Herz fing an zu pochen. “I fly with this Lady”, damit meinte er mich. Das tat gut. Dann ging ein Hagerer, Bärtiger auf ihn zu, flüsterte ihm etwas ins Ohr, und Peter meinte, Rob würde mit mir fliegen. Meine Knie wurden weich. Rob stellte sich als Rama vor – so nennen ihn die Nepalesen, er sei Russe und mache den Job seit 2011. Peter musste einen schwereren Mann fliegen. Rama legte mir Helm und Sitzgurt an und machte mit mir eine Trockenübung für das Anlaufen: “If I say run, you must run”. Ich tat mein Bestes. Ich sah Dieter. Ich bat ihn, AnDie, unser Maskottchen, auf meinen Schirm zu legen, schnell noch ein Foto mit meinem I-Phone, und dann musste Dieter laufen. Er schwebte in 700 Metern Höhe davon.
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Profis am Werk
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Oh AnDie, hilf!
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Bis später, Liebster!
Noch zwei vor mir, dann war ich an der Reihe. Rama steckte mein Handy weg und mir war klar, dass ich es sicher nicht benutzen würde. Ich hielt mich krampfhaft an zwei Gurten fest, lief, und da schwebte auch ich über dem Abgrund. Warum…? Egal. Saß ich überhaupt richtig? Hinter mir ruckelte Rama und arbeitete mit der Steuerung. Peter hätte bestimmt viel besser mit meinen Ängsten umgehen können…Oh, Gott, das soll ich jetzt mindestens 15 Minuten überstehen…Ich muss loslassen können. Ich betete das Mantra vor mich hin. Beim Autofahren in Indien und Nepal hatte es doch schon geklappt. Hier ging gar nichts mehr. Die Hände vom Gurt zu lösen, wie ich es im Werbefilm gesehen hatte, schien mir gänzlich unmöglich. Rama meinte, ich könnte doch jetzt mein Handy rausholen. Nein danke. Er zeigte mir einen Adler, der über uns kreiste. Ja, schön. Dann drückte er mir eine Kamera am Stiel in die Hand. Das Ding war schwer. Ich wollte mich lieber festhalten. Irgendwann hatte ich tatsächlich die blöde Kamera in der Hand. Rama meinte, jetzt könne ich doch mal die Arme ausbreiten …Und die Kamera? Er nahm sie mir ab. Tapfer machte ich die ersten Loslassübungen.
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Es lebe…
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…die höhere…
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…Schauspielkunst!
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Wau, ich fliege!
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Namaste!
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Ente, ist das Leben schön!
Aber mein Herz blieb in der Hose. Ich bin doch Schauspielerin! Wenigstens im Film soll es nach heiterem Schweben aussehen! Mir war klar, dass dies mein einziger Paragliding-Flug bleiben würde. Ich wollte nur noch heil unten ankommen. Ich dachte an meine Mutter und an all meine bodenständigen Freunde, die sich niemals auf solch ein bescheuertes Abenteuer eingelassen hätten. Ihr habt ja so recht! Rama fragte, ob er denn ein paar Akrobatikkurven mit mir drehen sollte. Nein, danke. Es tat mir leid für ihn. Er meinte es bestimmt gut. Wir kamen tiefer. Ich sah Dieter unten stehen. Er filmte mich. Mir kullerten die Tränen über die Wangen. Wir waren gelandet. Obwohl ich in den letzten Tagen von der Sonne gebräunt wurde, fiel ich Dieter schneeweiß in die Arme. Paragliding ist nichts für mich.
Paragliding Teil 2
Um sieben musste ich mal rausschauen. So ein Mist, das Wetter war diesig! Erst gegen 8:30 Uhr war klar: heute wird geflogen. Nachdem wir abgeholt wurden, ging die Fahrt mit dem Jeep nach einer kurzen Zwischenstation bei der Paraglidingschule hinauf nach Saragkot (1592 m ). Ich war echt gespannt. Außer uns warteten noch mindestens zehn andere Paraglider auf den Start. Christi, mein rumänischer Pilot, kontrollierte das Anlegen der Flugmontur genau. Anweisung: beim Start laufen, laufen, laufen, nicht hüpfen. Alles klar. Endlich waren wir an der Reihe. Kamera in der rechten Hand und laufen, laufen und hupps! Auf einmal waren wir schon in der Luft. Die Sitzposition noch nach hinten korrrigiert und dann schwebte ich. Super!!! Blick in die Tiefe: keine Höhenangst. Herrliches Gefühl! Mit über zehn anderen Schirmen schwebten wir hinab. Ein toller Blick auf die Himalayaberge und Pokhara. Andrea konnte ich auch ausmachen. Nach 20 Minuten noch ein paar Kurven rechts und links und die Landung klappte super.
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Juchhu!!
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Ticket to fly
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Die Spannung steigt
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Und ab gehts…
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wie ein Vogel
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… überm See
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Ganz schön hoch
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Toll war es!
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Immer die Frauen!
Andrea war immer noch in der Luft. Ich machte sie weit oben an ihrem weiß-roten Schirm aus. Sie flog noch hoch über dem See. Ich dachte, wahrscheinlich findet sie es so toll, dass sie den russischen Piloten Rob noch zu einer Sondereinlage überreden konnte. Das passiert auch immer nur den Frauen! Die Landung von Andrea noch schnell als Video gedreht, und dann kam mir ein Häufchen Elend entgegen.