Annapurna-Trekking Tag 1

Gestern Nachmittag fing es an zu regnen. Dieter bestand darauf, dass wir uns  Regencapes kaufen. Ich wollte eigentlich nicht, ich hatte doch extra ‘ne Regenjacke mitgenommen! Wir haben uns mit Capes eingedeckt. Es regnete die ganze Nacht. Auslöser soll ein heftiger Wirbelsturm in Indien gewesen sein. Heute morgen: Regen. Um acht Uhr wurden wir von Raju und Sanjaya vom Hotel abgeholt. Wie schön, dass die beiden uns auch bei diesem Trekking wieder begleiten! Im Suzuki ging es zwei Stunden lang über Holper- und Schlaglochpisten durch Matsch und Regenpfütszen nach Nayapul. Der Fahrer war wieder ein Profi seiner Kunst. Es regnete. Eine kleine Teepause, die Regenjacken und Capes übergeworfen und los. Durch den Regen, breite Pisten, zunächst bergab und dann nur noch bergauf. Wir waren nicht die einzigen. An die hundert andere Touris hatten sich aufgemacht, den Poon Hill zu besteigen, oder kamen uns entgegen. Der sonst eher als lieblich beschriebene Wasserfall hatte sich in einen reißenden Sturzbach verwandelt, die Siebentausender waren hinter dunklen Wolken verschwunden. Stattdessen blaue und grüne Plastikcapes und Regenschirme.

Wir verzichteten auf die Lunchpause und kamen um 14 Uhr als erste aber trotz bester Wanderstiefel und Regenausrüstung reichlich durchnässt in der Hütte an. Wir konnten uns das schönste Zimmer aussuchen.

Ab in die Schlafsäcke und trocknen. Abends füllte sich das Haus: eine philippinische Jugendgruppe, eine Amerikanerin mit einer Holländerin und einem Nepalesen, und ein Mann aus der Schweiz, der erzählte, dass er schon sämtliche Nepal-Trekkingtouren gemacht habe, und in Mexiko gewesen sei, und überhaupt schien er ein ganz großer Hecht zu sein. Verrückter Weise hätte er letztes Jahr zur genau gleichen Zeit eine Woche Regen hier erlebt. Oh, bitte nicht!

Pokhara Tag 4

Paragliding Teil 1 Um sieben Uhr öffnete Dieter die Balkontür: es war eine absolute Nebelsuppe draußen, kein einziger Berg zu sehen. Dieter war total enttäuscht. Heute sollte unser Paragliding-Flug stattfinden. Um acht Uhr beim Frühstück keine Besserung in Sicht. Dann eben nicht. Verschieben auf irgendwann in den Alpen. Gegen halb neun meinte Dieter plötzlich ein blaues Loch in der Wolkendecke zu erkennen. Tatsächlich, es klarte auf. Sollte es etwa doch heute passieren? Ein Anruf von der Rezeption: Wir würden um neun abgeholt. Auf den Pick-up gestiegen und los. Allein die Strecke auf den Berg war ein Abenteuer. Die Piloten standen wie in den überfüllten Bussen in Indien hinten auf der Stoßstange. Peter, der Engländer aus Wales, war mir sofort sympathisch. Er machte seinen Job schon über 18 Jahre lang. Und Christi aus Rumänien war auch schon neun Jahre dabei. Wir kamen an einem Polizeihäuschen vorbei. Wir mussten anhalten und dreihundert Rupien Strafe zahlen, weil wir überladen waren. Peter meinte, das sei jeden Tag dasselbe Theater. Im Westen gäbe es Korruption ganz oben und dies sei halt die Grasswurzelkorruption ganz unten. Gegenüber stand ein älterer Gurung. Was er wohl dachte? Da kommen wieder diese Verrückten aus der reichen Welt? Oder wunderte er sich schon lange nicht mehr? Immerhin kommen dreimal am Tag die Pick-ups hier hoch, seit Jahrzehnten. Ich fing an, mich dekadent und unbehaglich zu fühlen. Warum mache ich das überhaupt? Ich hätte doch auch unten auf Dieter warten können! Zu spät. In Windeseile wurden oben die Schirme abgeladen, alles perfekt vorbereitet, professionell durchorganisiert. Peter war anscheinend der Chef. Mein Herz fing an zu pochen. “I fly with this Lady”, damit meinte er mich. Das tat gut. Dann ging ein Hagerer, Bärtiger auf ihn zu, flüsterte ihm etwas ins Ohr, und Peter meinte, Rob würde mit mir fliegen. Meine Knie wurden weich. Rob stellte sich als Rama vor – so nennen ihn die Nepalesen, er sei Russe und mache den Job seit 2011. Peter musste einen schwereren Mann fliegen. Rama legte mir Helm und Sitzgurt an und machte mit mir eine Trockenübung für das Anlaufen: “If I say run, you must run”. Ich tat mein Bestes. Ich sah Dieter. Ich bat ihn, AnDie, unser Maskottchen, auf meinen Schirm zu legen, schnell noch ein Foto mit meinem I-Phone, und dann musste Dieter laufen. Er schwebte in 700 Metern Höhe davon.

Noch zwei vor mir, dann war ich an der Reihe. Rama steckte mein Handy weg und mir war klar, dass ich es sicher nicht benutzen würde. Ich hielt mich krampfhaft an zwei Gurten fest, lief, und da schwebte auch ich über dem Abgrund. Warum…? Egal. Saß ich überhaupt richtig? Hinter mir ruckelte Rama und arbeitete mit der Steuerung. Peter hätte bestimmt viel besser mit meinen Ängsten umgehen können…Oh, Gott, das soll ich jetzt mindestens 15 Minuten überstehen…Ich muss loslassen können. Ich betete das Mantra vor mich hin. Beim Autofahren in Indien und Nepal hatte es doch schon geklappt. Hier ging gar nichts mehr. Die Hände vom Gurt zu lösen, wie ich es im Werbefilm gesehen hatte, schien mir gänzlich unmöglich. Rama meinte, ich könnte doch jetzt mein Handy rausholen. Nein danke. Er zeigte mir einen Adler, der über uns kreiste. Ja, schön. Dann drückte er mir eine Kamera am Stiel in die Hand. Das Ding war schwer. Ich wollte mich lieber festhalten. Irgendwann hatte ich tatsächlich die blöde Kamera in der Hand. Rama meinte, jetzt könne ich doch mal die Arme ausbreiten …Und die Kamera? Er nahm sie mir ab. Tapfer machte ich die ersten Loslassübungen.

Aber mein Herz blieb in der Hose. Ich bin doch Schauspielerin! Wenigstens im Film soll es nach heiterem Schweben aussehen! Mir war klar, dass dies mein einziger Paragliding-Flug bleiben würde. Ich wollte nur noch heil unten ankommen. Ich dachte an meine Mutter und an all meine bodenständigen Freunde, die sich niemals auf solch ein bescheuertes Abenteuer eingelassen hätten. Ihr habt ja so recht! Rama fragte, ob er denn ein paar Akrobatikkurven mit mir drehen sollte. Nein, danke. Es tat mir leid für ihn. Er meinte es bestimmt gut. Wir kamen tiefer. Ich sah Dieter unten stehen. Er filmte mich. Mir kullerten die Tränen über die Wangen. Wir waren gelandet. Obwohl ich in den letzten Tagen von der Sonne gebräunt wurde, fiel ich Dieter schneeweiß in die Arme. Paragliding ist nichts für mich.

Paragliding Teil 2

Um sieben musste ich mal rausschauen. So ein Mist, das Wetter war diesig! Erst gegen 8:30 Uhr war klar: heute wird geflogen. Nachdem wir abgeholt wurden, ging die Fahrt mit dem Jeep nach einer kurzen Zwischenstation bei der Paraglidingschule hinauf nach Saragkot (1592 m ). Ich war echt gespannt. Außer uns warteten noch mindestens zehn  andere Paraglider auf den Start. Christi, mein rumänischer Pilot, kontrollierte das Anlegen der Flugmontur genau. Anweisung: beim Start laufen, laufen, laufen, nicht hüpfen. Alles klar. Endlich waren wir an der Reihe. Kamera in der rechten Hand und laufen, laufen und hupps! Auf einmal waren wir schon in der Luft. Die Sitzposition noch nach hinten korrrigiert und dann schwebte ich. Super!!! Blick in die Tiefe: keine Höhenangst. Herrliches Gefühl! Mit über zehn anderen Schirmen schwebten wir hinab. Ein toller Blick auf die Himalayaberge und Pokhara. Andrea konnte ich auch ausmachen. Nach 20 Minuten noch  ein paar Kurven rechts und links und die Landung klappte super.

Andrea war immer noch in der Luft. Ich machte sie weit oben an ihrem weiß-roten Schirm aus. Sie flog noch hoch über dem See. Ich dachte, wahrscheinlich findet sie es so toll, dass sie den russischen Piloten Rob noch zu einer Sondereinlage überreden konnte. Das passiert auch immer nur den Frauen! Die Landung von Andrea noch schnell als Video gedreht, und dann kam mir ein Häufchen Elend entgegen.

Pokhara Tag 2

Wir wohnen nur zwanzig Meter vom Phewa-See entfernt. Es herrscht ein reges, aber entspanntes Treiben. Bootstouren werden angeboten, man kann selbst rudern oder sich rudern lassen. Für den Gruppenausflug wurden einfach zwei Boote mit Brettern zusammengenagelt und darauf Sitzbänke und ein Dach errichtet. Am Ufer eine Hütte neben der anderen: Lake View, Lake Paradise, Stairways to Heaven, Roof Top Terrace, Free WiFi, Yoga, Meditation, Massagen – Herz was willst du mehr! Früher war das hier der Geheimtipp für Hippies, das Aussteiger-Paradies. Der eine oder andere hat es offensichtlich geschafft. Verständlich, dass auch unser Guide Raju hier ein Hotel eröffnen möchte. Am Uferrand bieten Frauen Schmuck an. Zum Glück sind sie nicht aufdringlich, zum Glück stoppen einige Passanten und gucken und kaufen. Rundherum die Sieben- und Achttausender, ganz nah der heilige Machhapuchre, der ans Matterhorn erinnert. Zehn, nein zwanzig Paraglider schweben lautlos vom Himmel. Pokhara ist nicht nur das größte Outdoor-Adventure-Zentrum Asiens sondern

auch eine Weltklasse-Location für Paraglider. Dieter offenbarte mir seinen zweiten Traum: Einmal hier vom Himmel gleiten. Es ist bedeckt und diesig. Zurück auf der Straße, durch die Stadt. Überall werden Paschmina-Tücher angeboten, eines schöner als das andere. Dutzende von Läden für Trekkingausrüstung, Reisebüros, die Abenteuer-Touren anbieten. Holperpisten wechseln sich mit asphaltierten Straßen ab. Biegt man in Nebengassen ab: Siff, Elend, Müll, bitterste Armut. Es wird gebaut: Hotels, nicht zu hoch und im nepalesischen Stil. Baugerüste, die jedem europäischen Sicherheitsstandard Hohn sprechen.

Wir waren auf der Hauptpost: Durch eine Gittertür kamen wir in einen Mini-Hof, in dem ein Briefkasten stand. Weiter um das kleine Gebäude herum zum Eingang. Zwei junge Nepalesinnen saßen in einem 10-Quadratmeterraum an zwei Schulschreibtischen. Auf einem stand ein verrosteter Safe, in dem die Briefmarken aufbewahrt wurden. Die Postangestellten nahmen freundlich  unsere Ansichtskarten entgegen und verkauften uns Briefmarken nach Deutschland: 35 Rupien, in die USA 45. Schaun wir mal, ob die ankommen. Sie arbeiten von 10 bis 17 Uhr, bis auf Samstag, da ist geschlossen.

Heute Abend treffen wir Raju wieder, um unseren nächsten 6-Tage-Trek zu besprechen. Bis dahin wohl erst einmal Funkstille.

Von Kathmandu nach Pokhara

Eine Nacht in einer komfortablen Suite mit zwei! großen Doppelbetten, Empfangsvorraum mit Sitzgelegenheit und Küchenzeile und Balkon hätte zwar nicht nötig getan, aber warum nicht? Die haben sie wohl nicht anders vermietet gekriegt, und unsere Reise war ja eh schon bezahlt. Gewohnheitsmäßig wurden wir gegen sechs wach. Runterkommen, relaxen war angesagt. Ausgiebiges Frühstück in diesem wunderbaren Wellnesshotel. Pünktlich um neun stand unser Fahrer bereit. Es ging im Vierrad-angetriebenen Hyundai mit angenehmer Klimaanlage auf der nepalesischen Highway Richtung Pokhara. Noch kurz am Affentempel vorbei – den hatten  wir nun leider verpasst – und den Künsten des Fahrers Vertrauen.

Mit Riesen-Reisbündeln bepackte Frauen, Büffel, Kühe, Hühner, Hunde, geschäftige Kaufleute, Laster, Motorräder, Autos – der Langsamere wird immer überholt – den Trisuli-Fluss entlang, an Rafting-Resorts vorbei – auf dem Fluss kämpften die Wassersportler mit der Strömung. Kleine Erfrischungspause mit Lemon-Soda im Hillview-Restaurant – hinten leuchteten ein paar Schneespitzen. Die erste Tankstelle hatte geschlossen. Ein Nepalese setzte sich ins Auto und lenkte den Fahrer zu einer, die offen hatte. Ein Liter Diesel kostete etwa ein Euro. Nach sechs Stunden Fahrt kamen wir heil in unserem Hotel in Pokhara an.

Helambu-Trekking Tag 7 von Kakani (1996m) nach Melamchi Bazaar (870m) zurück nach Kathmandu

Heute um sieben Uhr Frühstück auf unserer Dachterrasse: Gegenüber leuchteten die Siebentausender. Leckeres Zwiebel-bzw. Kartoffelomelett, dazu Chapati, nepalesisches Fladenbrot. Um halb acht ging es an den letzten Abstieg. Raju meinte, es würde etwa drei Stunden dauern, wir brauchten über vier. Die Sonne schien, die Pfade waren steil und schmal, manchmal floss auch noch etwas Wasser über die Steine. Es war eine Kletterpartie bergab. Immer wieder kamen uns Nepalesen entgegen, die Milch von oben holen sollten, wie Raju erzählte. Männer mit kurzen Hosen und Gummischlappen. Bautrupps, darunter auch Frauen, die den Weg mit der Hacke bearbeiteten.

 

Je tiefer wir kamen, desto bevölkerter wurde es. Erste Lastwagen auf Schotterpisten, Motorräder. Kinder, die nicht mehr schüchtern sondern eher frech uns ihr “Namaste” entgegenschmetterten. Als ich eine Mutter mit ihrem Kind fotografieren wollte, lehnte sie ab. Raju meinte, sie hätte sonst Geld verlangt. Kurz vorm Ziel eine mindestens 50 Meter lange Hängebrücke aus Stahl mit Löchern zum Durchgucken nach unten. Wir überquerten den Melamchi Khola. Wir hatten es geschafft. 1126 Meter bergab über Stock und Stein in viereinhalb Stunden.

Zur Lunchpause gab es eine Cola. Dann wurden wir vom Fahrer abgeholt. Er nahm die Abkürzung nach Kathmandu, statt vier Stunden auf der Hauptstrecke, nur eineinhalb im Geländewagen über unbefestigte Schotterwege, links oder rechts ging es steil bergab.

Mindestens zwanzig Laster Gegenverkehr. Und Motorräder. Man muss loslassen können. Unser Fahrer war ein Profi. Links neben mir auf der Rückbank staunte Dieter, rechts neben mir schlief Sanjaya. Ich ließ meinen Kopf auf Dieters Schulter sinken. Dann noch eine halbe Stunde durch das stinkende Kathmandu, und um halb drei waren wir wieder in unserer Hoteloase. Diesmal erhielten wir die Luxussuite für eine Nacht. Wau!