Wir waren morgens gespannt, ob der Wechsel unserer Reiseorganisationen wohl klappen würde. Die indische sollte heute übernehmen. Ich war gerade am Schreiben, als ich auf dem Parkplatz einen kleinen Inder seinen Toyota polieren sah. Ich wusste sofort, das ist unser Fahrer. Um halb neun saßen wir in seinem Auto und auf ging’s nach Kuschinagar. Es wurde schnell immer indischer: voller, wühliger, unübersichtlicher, chaotischer. Gegen halb zehn waren wir am Grenzübergang. Es gab eine Schranke. Menschenmassen waren zugegen, die üblichen Verkaufsstände, Slums, ein fünf Meter breiter Müllstreifen. Unser Fahrer – er sieht irgendwie drollig aus mit seinem großen, runden Kopf und den langen schwarzen Haaren, die ihm aus den Ohren wachsen – forderte uns auf, in ein Häuschen zu gehen. Wir mussten unsere Pässe zeigen, Ausreiseformulare ausfüllen, alles zur Kontrolle wieder abgeben. Wir wurden gefragt, wo wir hin wollten, und wo wir her kämen, und zack! war der Ausreisestempel im Pass. Tschüß Nepal! Es war eine wunderbare Zeit hier!
Unser Fahrer sammelte uns wieder ein, und wir waren auf der indischen Seite oder im Niemandsland? Es war nicht zu erkennen: um uns herum tobte das Leben: Menschen, Kühe, Hunde, Bruchbuden. Man fragte sich unweigerlich: Wie füllen Kühe bloß die Formulare aus? Dann hielt uns jemand in Uniform an. Wieder Pässe vorzeigen. Er ließ sich meinen Rucksack zeigen, wühlte kurz ein wenig drin rum, alles okay. Der Fahrer musste den Kofferraum öffnen, wir befürchteten schon Übles. War aber nicht. Weiter ging’s. Waren wir nun schon in Indien? Dort kam ein Torbogen “Welcome in India”. Plötzlich hielt unser Fahrer wieder an. Ein Mann in Zivil meinte, wir sollten ihm folgen. Unser Fahrer nickte: Immigration Office. Wieder ein kleines Kabuff, davor ein Tisch, Pässe vorzeigen, Einreiseformulare ausfüllen. Wie hieß der Grenzübergang, Sonauli? Wir ließen es uns buchstabieren. Alles klar! Auf der anderen Straßenseite konnte ich noch meine nepalesischen Rupien wechseln – die Männer wunderten sich, dass es umgerechnet nur drei Euro waren. Sie hofften, dass ich Hunderte von Dollar tauschen würde. Sorry, nein! Sie wünschten mir “Happy Diwali” und “Welcome in India” , und schon stiegen wir wieder in unseren angenehm klimatisierten Toyota. Hallo Indien! Bei der weiteren Fahrt, besonders durch Gorakhpur, lassen wir die Bilder sprechen: es fehlen einfach die Worte.
In Gorakhpur: Toiletten- und Lunchpause. Der Fahrer hielt bei einem Restaurant, das man als Touri niemals als solches hätte erkennen können. Es waren keine Ausländer anwesend, nur Inder. Bestes Curry und Nudeln, Cola und Lemon-Soda für gerade mal vier Euro. Kurz hinter Gorakhpur bis nach Kuschinagar gab es eine richtige Autobahn: durchgehend asphaltiert, vierspurig, aber natürlich trotzdem indisch: Fußgänger, Handkarren, Kühe, Ziegen, Hunde, Schweine, Affen – alles war dort unterwegs. Gegen halb drei waren wir im Hotel in Kuschinagar. Seit zwei Tagen gibt es kein WiFi mehr, schade! Aber ansonsten ist es okay. Wir können zu Fuß alle Tempel erreichen. Der thailändische und der japanische haben uns gut gefallen. Morgens und abends kann man an Meditationsgesängen teilnehmen. Wir kamen am Matha Kunwar-Schrein vorbei, wo wir durch ein Loch im Gitter die vergoldete Buddha-Statue aus blauem Stein – es soll sich um Schiefer handeln – fotografieren konnten. Wir tranken einen Kaffee mit Blick auf den chinesischen Linh Son Tempel im Yama Café. Leider mussten wir nach drinnen umziehen, weil Kinder solch ohrenbetäubend laute Böller zündeten, dass ich vor Schreck fast vom Stuhl gekippt wäre und das nette Café zusammenzubrechen drohte. Wir gingen in den gepflegten Park, der um die Ruinen des Mahaparinirvana-Tempels angelegt wurde. Dieser Ort wird als Buddhas Todesstätte verehrt.
Wie schon in Lumbini kamen die Tempelruinen erst bei Ausgrabungen am Ende des 19. Jahrhunderts zutage. Von birmanischen Buddhisten wurden sie 1927 restauriert. Im angrenzenden Tempel gibt es eine vergoldete liegende Buddha-Statue zu bewundern. Just als wir den Tempel betraten, hielt eine Gruppe buddhistischer Birmaner dort eine Andacht. Wir verstanden zwar nichts, aber es war faszinierend mitzuerleben, wie offen und trotzdem in sich gekehrt diese Andacht vonstatten ging. Es wurde gefilmt und fotografiert, das störte niemanden. Und hinterher wollten die Birmaner sich unbedingt mit uns fotografieren lassen. Hatten sie bisher vielleicht wenig Kontakt zu Europäern? Sie hatten ihren Spaß an der Session und wir auch.