16.8.2017 Saint John’s Tag 3 Weiterfahrt nach Twillingate Tag 1
Wir haben unsere Gastgeberin gar nicht kennengelernt. Es hat sich schlicht niemand blicken lassen in unserem Downtown-Stadthaus. Seltsam! Aber nun gut! Wir fahren schon um neun Uhr los, auf geht’s nach Twillingate. Immer auf dem Transcanadienne Highway, zuerst nach Westen und dann nach Norden. Wir verlassen die Avalon-Halbinsel, machen bei Clarenville eine erste Kaffeepause, natürlich bei Tim Hortons, dem kanadischen Muffinspezialisten – die Blaubeervariante ist einfach nicht zu toppen, superlecker! - , machen einen Fahrerwechsel, ich bin dran. Boa, und kurz nachdem ich wieder auf der Highway bin, oha!, sehe ich doch tatsächlich einen Elch am Fahrbahnrand springen. Der wollte über die Straße! Da bin ich schon vorbei. Dieter ist gerade in die Landkarte vertieft, hat ihn gar nicht bemerkt. Wieder einmal Glück gehabt! Von nun an habe ich die Straßenränder aufmerksamer im Blick. Am Gander Lake machen wir eine zweite Pause. Dort halten wir an einem Platz, der sich als eine Gedenkstätte für die Verstorbenen eines Flugzeugunglücks im Jahr 1985 herausstellt, das größte, das es je auf kanadischem Boden gegeben hat. Kein schöner Ort zum Verweilen. Also lieber weiter. Dieter fährt. Wir kommen wieder an die Küste, vorbei an der Gander Bay im Osten, überqueren die Chapel Island im Westen, Wasser, Felsen, winzige Dörfer, eigentlich nur ein paar Häuschen, kommen auf die New World Island mit seinem Dildo Run Provincial Park, ich weiß nicht, warum der so heißt, dann auf die South Twillingate Island mit Orten wie Purcell’s Harbour oder Little Harbour, deren Namen mehr erwarten lassen als wirklich vorhanden ist, winzige Buchten mit ein paar Hütten, ein paar Booten, sonst nichts. Lebt hier jemand oder sind das nur etwas heruntergekommene Ferienhäuschen? In Twillingate wird es dann touristischer. Es werden Bootstouren zum Whalewatching und Icebergwatching angeboten. Ob wir wohl welche sehen werden? Wir fahren noch weiter nach Norden, auf die nördliche Twillingate Insel, nach Crow Head, und erreichen unser B&B um halb fünf.
Brad, der Hausherr, erinnert uns beide an Wolf, einen Bekannten aus Tangstedt, ähnliche Statur, ein Naturbursche, der, wenn er Gäste hat, bei seinen Hühnern im Stall schläft, und sein Häuschen innen mit selbstgebauten Holzmöbeln sehr rustikal, originell, künstlerisch, allerdings auf engstem Raum eingerichtet hat. Dies ist also nun die teuerste Unterkunft unseres gesamten Kanada-Urlaubs. In unserem Zimmer kann ich keinen Sonnengruß machen, ohne mit den Armen an die Decke zu stoßen. Na ein Glück, dass wir wenigstens das Badezimmer während unseres Aufenthalts für uns haben. Brad hätte sicher gern sein zweites oberes Zimmer auch noch vermietet. Nun gut! Wir laufen erst einmal die Klippen hinauf! Toller Ausblick über die Bucht. Wenn das Wetter gut bleibt, machen wir hier morgen Yoga. Dann runter zum Strand. Da steht ein altes Picknick-Ensemble, Biertisch mit Bänken, etwas heruntergekommen zwar, aber zum Sitzen reicht es.
Hier ist es windgeschützt. Wir schauen aufs Meer. Das Wasser ist ruhig, sehr ruhig. Unter uns faustgroße Kieselsteine, am anderen Ende des Strandes ein paar Krähen, nur wenige Sandstellen. Wir nehmen Feuergeruch wahr. Tatsächlich, hinter uns muss jemand vor nicht allzu langer Zeit ein Lagerfeuer gemacht haben, es ist noch Glut vorhanden. Lebt hier womöglich jemand? Wir können außer einer Bierdose im Feuer nichts dergleichen entdecken. Wieder Meergucken, Frieden einatmen, Liebe ausatmen. Dieter hofft auf Wale, schaut durchs Fernglas, nichts zu sehen. Kein Wal, kein Eisberg, nur Felsengruppen und Unendlichkeit. Ich finde das erhaben und beruhigend, schön. Wir verzichten aufs Abendbrot, ziehen uns in unser Zimmerchen zurück, und ich komme endlich dazu, mein Neufundlandbuch, Annie Proulx’ “Schiffsmeldungen”, zu lesen. Morgen soll es regnen.